Product Washing: Die Fallstricke einer oberflächlichen Product-Operating-Modell-Transformation

In Kürze: Product Washing

Das „Product Operating Model“ (POM) erfreut sich unehmender Beliebtheit, insbesondere bei traditionellen Organisationen, die ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen möchten. (Und natürlich bei den McBostonians, die jetzt, da „Agile“ tot ist, einen Ersatz brauchen, um ihre Junior-Berater zu beschäftigen.) Womit wir bei „Product Washing“ wären.

Oberflächlich betrachtet verspricht das Produktbetriebsmodell oder Product Operating Model einem stärker kundenorientierten, ergebnisorientierten Ansatz. Eigenverantwortliche Teams schaffen iterativ Werte, anstatt starren, ergebnisorientierten Roadmaps zu folgen. Das Beste daran ist, dass sie dies autonom tun, gut abgestimmt auf die Gesamtstrategie des Unternehmens und die möglicherweise unzähligen anderen Teams, die gleichzeitig an verschiedenen Initiativen arbeiten. Denken Sie an SAFe, aber richtig gemacht.

Doch trotz all seiner Versprechen besteht die Gefahr, dass das Product Operating Model zu einem weiteren Schlagwort wird, anstatt ein tatsächlicher Motor des Wandels zu sein. Organisationen, die seine „produktorientierte“ Philosophie anpreisen, tun dies oft, ohne die tiefgreifenden Veränderungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um diese Philosophie zu leben. Diese hohle Übernahme von Produktpraktiken, oder was wir als „Product Washing“ bezeichnen könnten, lässt Unternehmen in der gleichen alten Dynamik verharren, aber mit einem neuen Vokabular: Transformation durch das Neudrucken von Visitenkarten. (Kommt Ihnen das bekannt vor?)

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Was ist der Ursprung des Product Washing?

Um zu verstehen, warum es zum Product Washing kommt, müssen wir die Beweggründe der Interessengruppen untersuchen, die – absichtlich oder nicht – den Status quo und den Einfluss von Beratungsunternehmen bewahren, die das Produktbetriebsmodell als neueste Einnahmequelle bewerben möchten.

Im Folgenden wollen wir betrachten, wie sich Product Washing entwickelt und was erforderlich ist, um ein sinnvolles, nachhaltiges Produktbetriebsmodell zu implementieren:

Motivation der Interessengruppen: Kontrolle behalten und gleichzeitig „produktorientiert“ erscheinen

Organisationen mögen behaupten, ein Product Operating Model einzuführen, aber die Motivation der wichtigsten Interessengruppen offenbart oft ein anderes Bild. Führungskräfte, Abteilungsleiter und sogar das mittlere Management haben ein Interesse daran, die Kontrolle über Ressourcen, Projektzeitpläne und strategische Entscheidungen zu behalten:

  • Schutz etablierter Machtstrukturen: Das Produktbetriebsmodell verlagert die Entscheidungsfindung grundlegend auf diejenigen, die dem Kunden und der Technologie am nächsten sind – auf funktionsübergreifende Teams, die für ihre Ergebnisse verantwortlich sind. Dies bedroht jedoch die traditionelle Hierarchie, in der die Vorstandsebene und die leitenden Führungskräfte kontrollieren, was wann und wie gebaut wird. Da die Beteiligten diese Macht nur ungern abgeben, befürworten sie den neuen Ansatz zwar rhetorisch, widersetzen sich aber der Umsetzung der Autonomie, die ihn definiert. Infolgedessen bleiben Entscheidungen zentralisiert und Teams arbeiten nach engen Vorgaben, anstatt ihre Arbeit wirklich selbst in die Hand zu nehmen.
  • Budgetkontrolle und Vorhersehbarkeit: Führungskräfte, die an Jahresbudgets, strikte Leistungskennzahlen und vorhersehbare Ergebnisse gewöhnt sind, sehen im Product Operating Model oft eine Bedrohung für die von ihnen geschätzte Vorhersehbarkeit. Das POM erfordert Flexibilität, Raum für Experimente und eine Toleranz für kurzfristige Unsicherheiten, um langfristige Ergebnisse zu erzielen. Die Beibehaltung vorhersehbarer, zentralisierter Budgetkontrollen geht jedoch oft zu Lasten der Befähigung des Teams, was den Ansatz wahrscheinlich auf einen neuen Anstrich des gleichen projektbasierten, budgetgetriebenen Modells reduziert.
  • Befürchtete Verschiebung der Rechenschaftspflicht: Ein echtes POM verlagert die Rechenschaftspflicht auf die Teams, die nicht nur für die Bereitstellung von Funktionen, sondern auch für die Erzielung von Geschäftsergebnissen verantwortlich sind. Diese Verschiebung ist für Führungskräfte unangenehm, die den Erfolg eher am Projektabschluss als an der Wirkung auf den Kunden messen. Diese Interessengruppen sind möglicherweise vorsichtig, wenn es darum geht, klare, ergebnisorientierte Ziele zu setzen, und ziehen es vor, Aufgaben oder die erledigten Features zu verfolgen – ein Ansatz, der das gesamte Ethos des Produktmodells untergräbt, aber viel einfacher umzusetzen und zu verfolgen ist, ganz zu schweigen von den klassischen Anreizen wie Boni, die noch immer mit der alten Arbeitsweise verbunden sind.

Externe Beratungsunternehmen: POM als Einnahmequelle

Betrachten wir die Beratungsriesen McBoston und andere. Diese Firmen haben das Produktbetriebsmodell als „nächste große Sache“ in der Transformation von Unternehmen aufgegriffen und vermarkten es als Lösung für jede Organisation, unabhängig vom Kontext. Gleichzeitig ist dieser Ansatz notwendig, wenn man für den Einsatz von Junior-Beratern Tagessätze von Senior-Beratern in Rechnung stellen möchte.

Dieser externe Einfluss verzerrt die Einführung des „Product Operating Models“ auf verschiedene Weise:

  • Einheitslösung: Beratungsunternehmen verkaufen POM oft als schlüsselfertige Lösung und ignorieren dabei die einzigartige Kultur, Bereitschaft oder Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden. Sie konzentrieren sich auf replizierbare Vorlagen und Prozesse statt auf kontextbezogene Transformation. Dies führt dazu, dass Unternehmen die Strukturen erfolgreicher Produktunternehmen nachahmen, ohne die kulturellen Grundlagen zu verstehen oder aufzubauen, die POM zum Erfolg führen. Wenn externe Berater ein Modell ohne Rücksicht auf den Reifegrad oder die Einschränkungen einer Organisation durchsetzen, wird das Product Operating Model zu einem weiteren falsch eingesetzten Framework, welches zum Scheitern verurteilt ist.
  • Fokus auf schnelle Erfolge statt auf nachhaltige Veränderungen: Beratungsunternehmen sind bestrebt, sichtbare, kurzfristige Ergebnisse zu liefern, um ihre Honorare zu rechtfertigen und Kunden zu binden. Diese Notwendigkeit führt dazu, dass sie sich auf die leicht erreichbaren Ziele konzentrieren – sie bilden „Produktteams“, benennen Rollen um oder führen oberflächliche Änderungen durch –, anstatt die grundlegenden kulturellen Veränderungen anzugehen, die das Produktbetriebsmodell erfordert. Diese kosmetischen Änderungen vermitteln den Anschein von Fortschritt, ohne dass tatsächlich eigenverantwortliche, ergebnisorientierte Teams entstehen.
  • Anhaltende Abhängigkeit von Beratungsunternehmen: Wenn sich Beratungsunternehmen als Experten und Koordinatoren des Wandels positionieren, behalten sie oft die Entscheidungsgewalt. Diese Abhängigkeit steht im Widerspruch zum POM-Prinzip der Stärkung interner Teams. Durch die Einbindung von Beratungsunternehmen in Kernentscheidungen umgehen Organisationen den Input ihrer eigenen Mitarbeiter und verpassen Gelegenheiten, die Produktführerschaft von innen heraus zu fördern. Das Ergebnis? Eine Organisation, die von außen produktorientiert wirkt, sich aber dennoch bei der Ausrichtung auf Berater verlässt, ganz in derem Interesse.

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Anti-Muster einer Product Operating Model Transformation

Die Anzeichen für eine oberflächliche oder fehlgeleitete Umsetzung eines Produktbetriebsmodells – das klassische Product Washing – sind oft eindeutig, dennoch halten sie sich in vielen Organisationen hartnäckig. Hier sind die häufigsten Anti-Muster, zusammen mit ihren Auswirkungen:

  • Oberflächliche strukturelle Veränderungen: Um die Ausrichtung auf das Produktbetriebsmodell zu signalisieren, organisieren viele Unternehmen Teams neu, benennen Abteilungen um oder schaffen „produktorientierte“ Titel, versäumen es aber, die notwendige Befugnis oder Rechenschaftspflicht zu schaffen. Sie fügen Ebenen und Bezeichnungen hinzu, ohne die zugrunde liegende Kultur oder die Prozesse zu verändern. Dieser Ansatz führt zu einer „Feature-Fabrik“, in der Teams damit beschäftigt sind, Ergebnisse zu liefern, aber nicht wirklich für die Kundenergebnisse verantwortlich sind.
  • Umbenennung von Projektmanagern und Business-Analysten in Produktmanager: Ein besonders heimtückisches Beispiel für Product Washing ist die Umbenennung bestehender Projektrollen in „Produktmanager“, ohne ihre Rollen oder Verantwortlichkeiten neu zu definieren. Diese „Produktmanager“ — und im SAFe-Umfeld gern auch „Product Owner“ — werden wahrscheinlich immer noch nach Zeitvorgaben und der Fertigstellung von Features beurteilt und nicht nach den Auswirkungen auf das Kundenerlebnis oder die Geschäftsziele. Dies führt zu einer aufgabenorientierten Denkweise, die mit echtem Produktdenken unvereinbar ist, und lässt Organisationen in projektbasiertem Denken mit neuen Titeln stecken.
  • Scheinbare Autonomie und falsches Empowerment: In einer produktorientierten Organisation haben Teams echte Autonomie, einschließlich Entscheidungsbefugnis und Ergebnisverantwortung. Diese Autonomie kann jedoch bei vielen gescheiterten Implementierungen von Produktbetriebsmodellen nur oberflächlich sein. Teams werden zwar dem Namen nach befähigt, aber durch Top-down-Richtlinien, starre Roadmaps und mangelnden Zugang zu den Daten, Mitteln oder Werkzeugen, die sie für sinnvolle Entscheidungen benötigen, eingeschränkt. Eine vorgetäuschte Befähigung ist nicht nur ein Rezept für Frustration, da von den Teams erwartet wird, dass sie Ergebnisse „erzielen“, ohne echte Entscheidungsfreiheit zu haben. Sie ist auch ein eindeutiges Zeichen für Product Washing.
  • Metriken ohne Bedeutung: Viele Organisationen, die das Product Operating Model anwenden, scheinen weiterhin traditionelle Metriken wie Feature-Geschwindigkeit oder termingerechte Lieferung zu verwenden, die eher die Aktivität als den Wert messen. Genaue produktorientierte Metriken konzentrieren sich auf Ergebnisse – Kundenzufriedenheit, Nutzung, Kundenbindung und Umsatzauswirkungen. Da sich Ergebnisse jedoch schwieriger quantifizieren lassen und ihre Realisierung oftmals mehr Zeit in Anspruch nimmt, die ggf. auch außerhalb der Amtszeit einer verantwortlichen Person liegt, könnten Manager die Verwendung vertrauter, aber bedeutungsloser Kennzahlen befürworten, die dem Unternehmen die Illusion von Erfolg vermitteln, aber im Einklang mit bestehenden Bonussystemen stehen.

Schritte zu einem echten Produktbetriebsmodell

Um Product Washing zu vermeiden, müssen Unternehmen über die bloße Kennzeichnung hinausgehen und Bedingungen schaffen, unter denen angemessene produktorientierte Praktiken gedeihen können. Dazu ist Folgendes erforderlich:

  • Echte Ausrichtung der Führung auf Produktziele: Die Führung muss sich über den bloßen Schein oder schnelle Erfolge hinaus für die Prinzipien des Produktbetriebsmodells einsetzen. Der CEO, CPO, CTO und andere Führungskräfte müssen den Wandel hin zu ergebnisorientierter Arbeit sichtbar unterstützen, auch wenn dies bedeutet, dass sie einen Teil der Kontrolle abgeben müssen. Dies kann grundlegende Veränderungen bei der Festlegung von Budgets, Prioritäten und strategischen Initiativen erfordern. Führungskräfte müssen Engagement zeigen, indem sie Experimente fördern, eine Fehlerkultur schaffen, die Auswirkungen auf die Kunden wertschätzen und langfristige Ziele über kurzfristige Kennzahlen stellen.
  • Kompetenz aufbauen, nicht Abhängigkeit: Anstatt sich bei der Umsetzung des Wandels auf Berater zu verlassen, sollten Sie sich auf den Aufbau interner Expertise konzentrieren. Schulen Sie Produktmanager, Designer und Ingenieure in kundenorientiertem Denken, Datenkompetenz und Geschäftssinn. Diese Investition wird (viel) mehr Zeit in Anspruch nehmen, ermöglicht es dem Unternehmen jedoch, fundierte Entscheidungen unabhängig zu treffen, und befähigt die Teams, ihren eigenen Produkterfolg ohne externe Hilfe voranzutreiben.
  • Verlagerung der Messwerte auf den Fokus auf Ergebnisse; Anpassung der Bonussysteme: Aussagekräftige Messwerte sind entscheidend. Verabschieden Sie sich von leistungsbasierten Messwerten wie der Anzahl der Funktionen oder dem Projektabschluss und wenden Sie sich ergebnisorientierten Messwerten zu, die den Kundennutzen und die geschäftlichen Auswirkungen widerspiegeln. Kundenbindung, -zufriedenheit und -nutzen sind weitaus aussagekräftiger als die Funktionsgeschwindigkeit. Diese Verlagerung der Messwerte stärkt eine Kultur, die sich auf Wirkung statt auf Aktivität konzentriert. Stellen Sie außerdem sicher, dass sich die erforderliche Änderung der Metriken in der Bonusstruktur aller widerspiegelt.
  • Fangen Sie klein an, lernen Sie und skalieren Sie gezielt: Statt einer Top-down-Einführung des Produkt Operations Models sollten Sie mit Pilotteams beginnen, die wirklich befähigt und verantwortlich sind und eine klare Produktvision haben. Sammeln Sie Erkenntnisse von diesen ersten Teams und verstehen Sie, was funktioniert und was nicht. Eine schrittweise Skalierung der Adaption des Produktbetriebsmodells hilft, eine zu starke Bindung an ein starres Modell zu vermeiden, und bietet die Möglichkeit, Anpassungen auf der Grundlage tatsächlicher Ergebnisse und Rückmeldungen vorzunehmen.
  • Verpflichten Sie sich zu einer Kultur des Lernens und der Adaption: Produktorientierte Organisationen sind niemals statisch. Schaffen Sie Mechanismen für kontinuierliches Feedback von Kunden und internen Mitarbeitern und etablieren Sie eine Kultur, in der Teams sich im Allgemeinen sicher fühlen, Annahmen in Frage zu stellen und in welcher Scheitern nicht das Ende einer Karriere bedeutet. Diese Denkweise des Lernens und der Iteration ist der Grundstein jeder erfolgreichen Produktorganisation und ermöglicht eine dauerhafte Transformation über oberflächliche Veränderungen hinaus.

Ein Fazit zum Product Washing

Das Produktbetriebsmodell hat eine starke Anziehungskraft, aber ohne echtes Engagement ist es kaum mehr als eine weitere Modeerscheinung im Management. Produkt Washing – die bloße Umsetzung des POM – ist schlimmer, als das Product Operating Model überhaupt nicht zu übernehmen, da es Zynismus und Ernüchterung in den Teams hervorruft. Eine echte Transformation erfordert tiefgreifende, oft unbequeme kulturelle Veränderungen, Verantwortlichkeit und Führung.

Für Organisationen, die es mit dem Produktbetriebsmodell ernst meinen, beginnt die Reise mit einer klaren Absicht und der Bereitschaft, unbequeme Wahrheiten anzusprechen. Verzichten Sie auf schnelle Erfolge und investieren Sie in den Aufbau von Produktkompetenz, echte Teambefähigung und eine unerschütterliche Ergebnisorientierung. Alles andere ist nur eine weitere Rebranding-Übung, die zum Scheitern verurteilt ist, oder Product Washing.

Product Washing — Empfohlene Lektüre

Agile Failure Patterns in Organizations 2.0.

Die unbequeme Wahrheit der Skalierung agiler Praktiken.

Die Nachteile des Festhaltens an Altsystemen, Prozessen und Praktiken — Scrum-Anti-Muster-Taxonomie (1).

Scrum Anti-Muster Taxonomie – Warum Scrum hinter den Erwartungen zurückbleibt kann.

11 Proven Stakeholder Communication Tactics during an Agile Transition.

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